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29 Nov
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Vier Absolventen haben mit dem Start-up Zaitrus den direkten Weg von der Uni Bayreuth in die Selbständigkeit gewählt - und eine disruptive Analyse von Mikroplastik in Flüssigkeiten entwickelt. Vor Ort, nicht im Labor. Fortlaufend, nicht nur einmal am Tag, und das in Echtzeit. Schnell, zuverlässig, kostengünstig. Zaitrus kann Mikroplastik nicht beseitigen, aber dazu beitragen, die Gefahren rechtzeitig zu erkennen und so die immer ernster werdende Kontamination zu bekämpfen. Von Leitungswasser und Abwasser über Milch bis zu Bier, Mineralwasser oder Limonaden kann das System mit Sensoren Verunreinigungen detektieren. Für Städte und Kommunen mit ihren Kläranlagen sowie für private Unternehmen wie Lebensmittelhersteller bietet sich so ein effektiver Mechanismus zur Prävention und Qualitätssicherung, der vor Schäden schützen kann.  

München, 29. November 2025 - Von Rüdiger Köhn

Es sind die Dinge des täglichen Lebens: PET, Polyvenylchlorid, Polyamid, Polysterol, PVC. Etwa fünf Gramm dieser Art von Ingredienzien nimmt ein Mensch in der Woche zu sich; das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Das nimmt er über die Atemluft, die Nahrung und die Haut auf. Dieses Gift-Menü lässt sich beliebig erweitern.

„Es gibt eine riesige Bandbreite von Kunststoffen, die relevant sind“, sagt Till Zwede. Im Körper sind die Partikel ein Risiko für Alzheimer, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie gefährden wegen ihrer langen Haltbarkeit auf Dauer die Gesundheit von Mensch und Umwelt. Ist Mikroplastik erst einmal im Kreislauf, zerfällt es in immer kleinere Teile. Und: Je kleiner, um so schwerer ist es zu entfernen.

Deswegen haben sich Till Zwede und seine drei Mitgründer auf eine Mission begeben. Sie sagen mit dem Aufbau von Zaitrus dem omnipräsenten Mikroplastik den Kampf an. Ihre Detektionsmethode wird zwar nicht zur geringeren Produktion oder gar zu deren Zerstörung führen. Aber es kann die Menschen besser vor den gesundheitlichen Schäden schützen, die Verschmutzung angehen und somit auch indirekt zum Abbau dieser Schadstoffe beitragen.

          Jens Pfeiffer, Vincent Gödde, Till Zwede, Valentin Meiler (v.l)                                         Fotos Zaitrus

Das Start-up aus Bayreuth hat ein Durchfluss-System entwickelt, das mit Sensoren das Mikroplastik flächendeckend, dauerhaft, standardisiert und in Echtzeit in verschiedensten Flüssigkeiten aufspüren kann - von Abwasser über Wasser bis hin zu Milch, Bier, Mineralwasser oder Limonaden, aber auch in anderen Lebensmitteln im flüssigen oder halbflüssigen Zustand. Es erkennt Kontamination frühzeitig direkt an der Quelle, kategorisiert, charakterisiert und quantifiziert die Stoffe. Damit können diese dann gezielt über Reinigungssysteme wie Filter und mit relativ einfachen Steuermechanismen beseitigt werden.

Disruptiv in der Flüssigkeitsanalyse

Das ist in der Welt der Laboranalyse eine Disruption. Während der Produktion von Milch etwa können Fremdstoffe ermittelt, deren Konzentration bestimmt, bei zu hohen Werten die Fertigung gestoppt, Schaden und hohe Kosten verhindert werden. Was bislang im Idealfall einmal am Tag über teure Laboranalysen mit händischen Probeentnahmen, Transport ins Labor und der Untersuchung dort fernab der Entnahmestelle erfolgt, kann das System von Zaitrus erheblich kostengünstiger vor Ort ständig ohne Zusatzaufwand analysieren.

„Wir sind die ersten mit einer Inline-Lösung, mit der man in einem Prozess prüfen kann, ob es ein Kontaminationsproblem gibt“, sagt Till Zwede, 31 Jahre, Wirtschaftsinformatiker und CEO von Zaitrus. Mit Jens Pfeiffer (30), Valentin Meiler (28) und Vincent Gödde (26) baut er seit 2022 das Spin-Off der Universität Bayreuth auf. „Es ist schneller, effizienter, zuverlässiger als die Prozesse im Labor.“ Wegen der kontinuierlichen Messungen in Echtzeit entfalle die umständliche, auch zeitintensive physische Entnahme von Proben. Jede konventionelle Probe und Analyse kann 2000 bis 3000 Euro kosten. Teure Laborgeräte sind nicht nötig, der Personalaufwand ist geringer. „Da kann man bares Geld sparen“, sagt Zwede. In der Spitze hält er nach Modellanalysen Einsparungen von bis zu 90 Prozent im Getränkebereich für möglich, bei Kläranlagen zwischen 60 und 80 Prozent. Von Vorteil ist zudem die deutlich höhere Transparenz. Die installierten Sensorsysteme können vernetzt werden und sofort Werte an die entsprechenden Entscheidungsträger übermitteln. Mit den Daten lassen sich überdies Zeitreihen wie auch für die Allgemeinheit zugängliche Mikroplastik-Karten erstellen.

„Wir befinden uns in der Übergangsphase von der Forschung und Entwicklung in die Pilotphase", sagt Zwede. Es werde noch ungefähr ein Dreivierteljahr dauern, bis man mit einem fertigen Produkt den Marktstart angehen könne. Piloten gibt es bereits. So hat Zaitrus in der Kläranlage in Bayreuth ein Gerät installiert und testet es im realen Einsatz für ein Jahr. Es gibt darüber hinaus einen Piloten in einer Molkerei. Zwede hält es für wahrscheinlich, dass bald außerdem eine „gute Handvoll" Abwasserbetriebe und Getränkeproduzenten (Brauereien, Limonaden-Hersteller) mit Geräten bestückt werden.

Dafür wird auch schon - allerdings rabbattiert - gezahlt, was dem Unternehmen Einnahmen für die weitere Entwicklung bringt. Auf den ersten Blick klingen die Preise nicht günstig. Zaitrus liefert mit den Detektoren die Hardware und will sie vermieten. Den auf Dauer gewichtigeren Anteil wird jedoch die Software übernehmen, die mit dem Betrieb für verlässliche, wiederkehrende Einnahmen sorgt. Für das Abo-Modell (SaaS - Software as a Service) wird zunächst monatlich ein niedriger bis mittlerer vierstelliger Betrag veranschlagt. Das relativiert sich allerdings in Anbetracht der hohen Kosten für die gängigen Laboranalysen. Mit der kommerziellen Einführung und Skalierung könnten die Preise von Zaitrus dann sinken, kündigt Zwede an.

Fokus auf Abwasser-Kontrolle

Das Augenmerk der Aktivitäten von Zaitrus sollte sich zunächst auf Kläranlagen mit Abwasser-Behandlung richten. Dass nun Getränkeabfüller schon in einer frühen Phase eine Rolle spielen können, hatte Zwede gar nicht einkalkuliert. Doch sein altes Netzwerk aus der Zeit als Wissenschafter beim Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik in Bayreuth mit Kontakten zu einer Molkerei hat geholfen. Die zeigt Interesse an dem Kontroll- und Analysesystem. 

„Das beweist, dass unsere Systeme nicht nur für regulatorisch beeinflusste Märkte geeignet ist, sondern auch in der Privatwirtschaft Mehrwerte liefert“, sagt Zwede. Denn das System ermöglicht schon in einem frühen Stadium, Verunreinigungen von Vormaterialien (etwa Trink-, Leitungs- oder Tiefengrundwasser oder Milchvorprodukte) zu erkennen, bevor sie in den Produktionskreislauf gelangen oder die während der Herstellung entstehen können. So kann eine Produktion sofort gestoppt werden, lassen sich damit zusätzliche Kosten verhindern; wie auch teure Rückrufe, sollte ein belastetes Produkt auf den Markt kommen. „Ziel ist also, ein System für Prävention und Qualitätssicherung zu entwickeln.“

Dass er auf Abwasserbehandlung und städtische wie auch privat betriebene Kläranlagen etwa in Chemieparks fokussiert hat, hängt mit den immer schärfer werdenden Regularien und staatlichen Auflagen zusammen. Das ist für die Gründer auch der eigentliche Antrieb gewesen. Von 2027 an etwa wird es in der EU eine neue Verordnung zur Überwachung von Mikroplastik in Kläranlagen geben, was zu zusätzlichen und genaueren Kontrollen führen wird. Es ist langfristig zudem mit dem Einbau neuer Klärstufen zu rechnen. Das wird die klammen Städte und Kommunen vor neue Herausforderungen stellen. Hinzu kommt, dass das Bewusstsein in der Öffentlichkeit mit Blick auf die Konsumentensicherheit wächst. Das werde generell zu einem noch größeren Thema werden.

Für Till Zwede gehört Mikroplastik zu dem Material, für das es noch vergleichsweise wenig Technologien der Erkennung gibt. Daher geht er in Zukunft von einem großen Bedarf aus. Das Sensorsystem kann Mikroplastik-Partikel ab einer Größe von 250 Mikrometer detektieren. „Bis Ende 2026 wollen wir bis auf 50 Mikrometer runter, das ist dann vergleichbar der Größe, die Laboranalysen schaffen“, sagt er. Theoretisch könnte es auch PFAS erkennen - wenn es denn in der Größenordnung vorliegt. In der Regel jedoch sind diese Teile deutlich kleiner, weshalb die entwickelte Technologie nicht im Kampf gegen diese „Ewigkeitschemikalien“ eingesetzt werden kann.

Machine-Learning als Bestandteil

Mikroplastik entsteht etwa über den Abrieb von Autoreifen auf der Straße, der in die Kanalisation gelangt. Oder es stammt aus Plastikmüll, der sich langsam und stetig zersetzt, so in die Umwelt und genauso in das Abwasser gerät wie Kunststofffasern, die beim Waschen aus Kleidung gespült wird, ebenso kunststoffbasierte Lacke und Farben. Jeder Kunststoff-Gegenstand gibt in aller Regelmäßigkeit Mikroplastik-Partikel ab. All diese haben gemein, dass sie sich elektromagnetisch verhalten. „Unser System arbeitet nach dem elektromagnetischen Prinzip“, sagt Zwede. Ein Machine-Learning-Algorithmus (Zaitrus AI) analysiert die Proben und kann den Einsatz zugleich ständig selbstoptimieren. Das System wird trainiert, damit es Muster erkennt, um anhand vorliegender Daten Partikel zuverlässig einzustufen und einzusortieren.

          Jens Pfeiffer, Till Zwede, Vincent Gödde, Valentin Meiler (v.l.)

Die Idee haben Jens Pfeiffer und Valentin Meiler 2021 gehabt. In ihren Master-Arbeiten am Lehrstuhl Mess- und Regeltechnik der Uni Bayreuth, wo es ein Forschungsbereich Mikroplastik gibt, befassten sich der Maschinenbauingenieur (Pfeiffer) und der Ingenieur für Automotive und Mechatronik (Meiler) mit Sensorik. Sie schrieben über das physikalische Prinzip der elektrischen Impedanzspektroskopie, indem ein elektromeagnetisches Feld in Flüssigkeiten aufgebaut und Wechselstromwiderstand gemessen wird, das Partikel detektieren kann. Sie erkannten, dass da Potential für einen Markt und damit für ein Geschäftsmodell besteht. Sie gründeten Zaitrus - zunächst unter dem Namen Myrta - im August 2022.

Till Zwede stieß wenige Monate nach Gründung im Oktober 2022 als Wirtschaftsinformatiker hinzu. Er soll den strategischen Fit einbringen, während die Nerds Pfeiffer und Meiler auf die technische Seite fixiert sind. Schon im Studium hat Zwede das Start-up Zumiko, eine Online-Handelsplattform, mitgegründet und Gründer-Erfahrungen gesammelt. Um das Studium zu finanzieren, arbeitete er zudem als selbstständiger Vertriebler für Sony in der Region Bamberg, womit er seine Management-Fähigkeiten trainierte.

Vincent Gödde kam kurz nach ihm als Betriebswirt, ebenfalls an der Uni Bayreuth abgeschlossen, hinzu und hat seine Stärken in Finanzen, Personal sowie PR. Man kannte sich schon vorher über Umwege. Das Team, deren Mitglieder direkt von der Uni kommend in die Unternehmenswelt eingetaucht ist, stand. Heute beschäftigt das Start-up 18 Mitarbeiter, davon die Hälfte in Vollzeit.

Gespräche über Anschluss-Finanzierung

Schon Ende 2021, also vor der Gründung, erhielten sie Mittel aus dem Förderprogramm EXIST. Das lief zwei Jahre Ende 2023 aus. Es ging weiter: Weil sie mit ihrem Konzept überzeugten (Proof of Concept), übernahm die Bundesagentur für Sprunginnovationen in Deutschland (SPRIND) die Förderung. Das Fördervolumen von 2,7 Millionen Euro haben die Gründer nur etwa zu zwei Dritteln in Anspruch genommen, also sehr effizient in der Entwicklung gearbeitet.

Der Hinweis ist wichtig. Denn aktuell sucht Zaitrus nach einer Anschlussfinanzierung, da SPRIND zum Jahresende ebenfalls nach zwei Jahren ausläuft. Da ist der sorgsame Umgang mit Geldern neben dem überzeugenden Konzept eine weitere Referenz. Zwede ist in diesen Tagen in finalen Gesprächen. „Wir haben ganz gute Signale bezüglich einiger Förderprogramme erhalten, weshalb wir die Eigenkapitalinvestition jetzt auf 2 Millionen Euro reduzieren können.“ Details kann er jedoch noch nicht nennen.

„Wir werden unsere Technologie jetzt erst einmal zur Marktreife bringen“, setzt Till Zwede stellvertretend für seine Kompagnons klare Prioritäten. Er weiß aber auch: „Unser System wird ein gutes Portfolioprodukt sein.“ Damit spielt er auf verschiedene Zukunftsoptionen für Zaitrus an. Es könne eine sinnvolle, attraktive Ergänzung beispielsweise für Sensorik-Hersteller sein. Das aber sind noch weit in der Ferne liegende Gedankenspiele. Ob man ein Fragezeichen hinter dem Fortbestand von Zaitrus als Start-up langfristig setzen muss? „Absolut“, lacht Zwede. „Wir sind auch gespannt, wie es in den nächsten fünf Jahren weitergehen wird: Bleiben wir ein selbständiges Unternehmen oder werden wir eine Abteilung eines Konzerns sein?“

https://www.zaitrus.de/

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