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31 Oct
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Mehr digitale Mobilität, immer höhere Komplexität. Moritz Buhl will zwei schwer vereinbare Trends durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zusammenbringen, damit man vom Smartphone oder Tablet aus eine Firma managen, Finanzen regeln oder Buchhaltung zu erledigen kann. Sein Unternehmen Buhl Data Service, ein Softwarehaus, bietet seit Jahrzehnten für Arbeitnehmer, Kleinunternehmer, Freiberufler und Gründer Lösungen für Steuer, Finanzen, Buchhaltung und Büro-Verwaltung an, bekannt unter den Namen WISO Steuer, WISO Finanzblick, WISO Mein Büro. Buhl hat erkannt, wie wichtig KI in der Zukunft auch für ihn wird. Er ist Mittelständler und führt ein etabliertes Unternehmen. Und doch denkt er wie ein Start-up-Gründer.


München, 31. Oktober 2025 - Von Rüdiger Köhn

Moritz Buhl hat eine Vision, man kann auch sagen: einen Traum. Eine Steuererklärung, die wie von Zauberhand zusammengefügt wird. Eine App soll einmal leidgeprüften Steuerpflichtigen helfen, mit wenig Bedienung und natürlicher Sprache als Assistent vollständig Formulare auszufüllen, die alle Sonderausgaben berücksichtigt, nichts vergisst und dann noch alles herausholt, um gar Geld zurückzubekommen. Alles ohne Steuerberater.

Bis es zu einer derartigen App kommt, dauert es noch ein bisschen. Aber Buhl befindet sich auf dem Weg dorthin. Mit Künstlicher Intelligenz will er eine Vision realisieren, die Benutzerfreundlichkeit seiner Produkte erheblich zu verbessern und Prozesse so simpel wie möglich zu gestalten. „Reduktion als Prinzip“, formuliert er seine Philosophie von Vereinfachung und Entlastung bei Vorgängen, die wohl oder übel gemacht werden müssen. Das gilt für die Steuererklärung von Arbeitnehmern ebenso wie für Buchhaltung und Büro-Verwaltung für Selbständige, Kleinunternehmer, Freiberufler und Gründer. Das ist die Zielgruppe von Buhl Data Service.

Nein. An dieser Stelle kommt nicht die Vorstellung des Gründers eines jungen Start-ups, das eine KI-generierte App entwickelt. Moritz Buhl, 38 Jahre, ist ein Mittelständler par excellence, ein Familienunternehmer, der seit 2019 in zweiter Generation das 1986 gegründete Software-Haus Buhl Data Service mit Sitz in Neunkirchen im Siegerland führt. Ein etabliertes Unternehmen, das vielen bekannt ist: Es vertreibt Steuer- und Finanzsoftware unter dem Markendach „WISO“. Dazu gehören WISO Steuer, WISO Mein Geld, WISO Unternehmer (betriebswirtschaftliche Standardsoftware), WISO Mein Büro (für Unternehmer, Freiberufler und Gründer), viele spezielle Anwendungen für Hausverwalter, Vermieter oder Vereine sowie Finanzblick (Online- und Mobile Banking).

Einst als Druckerei von Moritz´ Vater Martin Buhl gegründet, arbeitet das Unternehmen seit 2003 bereits nach dem Online-Abo-Modell SaaS (Software-as-a-Service), sofern die Produkte nicht noch physisch in der Box im Handel vertrieben werden. Die Zukunft liegt in Cloud-Angeboten. Heute werden die Buhl-Produkte primär über das Web an Neukunden verkauft.

                                                       Moritz Buhl                                   Fotos Buhl Data Service

Moritz Buhl wandelt zwischen zwei Welten; einerseits der eines Familienunternehmens, andererseits der der Künstlichen Intelligenz mit allen Chancen und Risiken. Die Herausfordungen sind groß und auch für Mittelständler zwingend: die Transformation eines vierzig Jahre alten Unternehmens in das digitale Zeitalter, das sich immer weniger dem Einfluss von KI und ChatGPT entziehen kann.

Buhl Data wird KI-ertüchtigt

Für das Agieren von Moritz Buhl sind zwei Trends prägend. Erstens läuft kaum noch etwas ohne mobile Anwendungen, weil immer mehr Aufgaben über Smartphone und Tablet, weniger an Desktop und Laptop erledigt werden. Zweitens geht kein Weg am Einsatz von Künstlicher Intelligenz vorbei. „Beide Trends verstärken sich gegenseitig.“ Damit müssen die Produkte zunehmend digital und ki-gesteuert sein.

„Buhl Data Service wird KI-ertüchtigt, das ist der strategische Imperativ“, formuliert er seine Herausforderung als Firmenchef und Eigentümer, die zugleich seine Mission zu sein scheint. Die große Welle von KI stehe noch bevor, ist er überzeugt. Daher müsse sie in möglichst alle Produkte des Hauses eingebracht werden, um sie anwenderfreundlicher zu machen „und auf ein neues Level zu heben“. Das bringt ihm auch neue Geschäftsmöglichkeiten für die WISO-Angebote, die dadurch besser interagieren könnten. „Wir bekommen in unseren Werkzeugkasten einen riesigen Haufen neuer Werkzeuge“, lacht er.

Den Vorsprung verteidigen

Schon vor dem Hype von KI und ChatGPT spürte er, dass da neue Aufgaben auf ihn zukommen. Er gehört zu der noch kleinen Gruppe im Mittelstand als tragende Säule der deutschen Wirtschaft, die KI sehr ernst nimmt; nicht zuletzt als wichtiges Instrument, die eigene Existenz abzusichern. Denn in der Start-up-Szene können Findige schnell Produkte entwickeln, wie sie ein etabliertes und führendes Unternehmen im Markt für Steuer- und Finanzsoftware seit Jahrzehnten anbietet - und somit Buhl das Leben schwer machen können. Mit KI will er seinen Vorsprung nutzen, um nicht von unliebsamen Konkurrenten überholt zu werden. In ihm stecken da Start-up-Gene wie Agilität, Flexibilität und schlicht Gespür.

Mit Invoiz hat er 2019 ein Start-up geleitet, das außerhalb der etablierten Unternehmensgruppe mit rund 900 Mitarbeitern in einem kleinen, eigenständigen Team aufgebaut worden ist. In der Spitze haben bei Invoiz zwölf Mitarbeiter eine Plattform für Selbständige und Unternehmer entwickelt, um diese bei Bürolösungen zu unterstützen. Als Backoffice-Hilfe werden darüber Angebote, Dokumente, Korrespondenz mit Kunden und Mahnungen in der Cloud erstellt, können Rechnungen direkt über das Invoiz-Portal gezahlt werden; das alles zu nutzen über das SaaS-Monatsabo. In Echtzeit erhalten diese die erforderliche Transparenz über die Geschäftslage, Geldeingang, ausstehende Rechnungen oder Steuerzahlungen.

Formel-1-Team als Entwickler

Moritz Buhl, der Invoiz vor seiner Übernahme der Geschäftsführung der Buhl-Gruppe leitete, vergleicht das Start-up mit einem Formel-1-Team, das Zukunftstechnologie für ein Autokonzern entwickelt. Mit Invoiz seien neue Grundlagen für das WISO-Produkt „Mein Büro“ geschaffen worden. Konsequenterweise ist es kein eigenständiges Start-up mehr und in „Mein Büro“ integriert worden.

Der Unternehmer hält am Formel-1-Experiment fest, um Innovatives auszuprobieren. Doch mit Billbob hat er statt Unternehmensgründung eine Inhouse-Lösung gesucht. In dem neuen Produkt findet sich wie in einem Brennglas der von Moritz Buhl formulierte „strategische Imperativ“ der KI-Ertüchtigung: Die Mobilität dringt unaufhaltsam vor; dem steht die immer größer werdende Komplexität von Prozessen entgegen; nur durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann man diesen beiden widerstrebenden Entwicklungen Herr werden.

Billbob, seit Ende 2024 am Markt, ist eine mobile App, gedacht als Plattform für Selbstständige, Freiberufler und für Gründer. Sie ermöglicht es, Rechnungen einfach und papierlos zu erstellen, sie zu versenden und online Zahlungen zu empfangen. Mit ihr sind Rechnungen im PDF-Format genauso zu erstellen wie gesetzeskonforme E-Rechnungen. Die App ist für die Erledigung der Buchhaltung von unterwegs mit Smartphone und Tablet konzipiert. In Echtzeit gibt es Benachrichtigungen etwa über den Eingang einer Überweisung des Kunden.

Bedeutungsverlust für Desktop und Laptop

Moritz Buhl trägt mit diesem Produkt dem Trend Rechnung, dass Desktop-Computer und Laptop weniger genutzt werden. Statt mit Zehn-Finger-System auf der Tatsatur zu schreiben wird immer mehr gewischt, selbst bei komplexen Vorgängen. „Billbob hat den Anspruch Mobile First und richtet den Fokus auf KI mit einer intuitiven Benutzerführung.“ KI erleichtere die Arbeitsweisen und passe  Darstellungsformen benutzerfreundlich an. „Wenn jemand mit dem Smartphone arbeitet, unterlaufen zwangsläufig Rechtschreibfehler als an einem Gerät mit Tastatur.“ In einer WhatsApp-Message an einen Freund sei ein Typo-Fehler kein Problem. Aber eine Rechnung, eine Auftragsbestätigung an den Kunden oder eine Korrespondenz? „Das sind Visitenkarten, die orthographisch und grammatikalisch korrekt sein müssen.“

Die KI sorge dafür, dass alle Informationen richtig aufgeteilt, Vorgänge korrekt bezeichnet, Ort, Preis, Einheiten, Anfahrten, Arbeitsleistungen und -zeiten richtig aufgeführt sind - und ganz nebenher die Fehler ausmerzt. Belege und Anwendungen werden kategorisiert, Kundendateien mit vollständigen Angaben strukturiert; Dinge, für die man sonst viel Zeit benötigt. Per Link können Zahlungen direkt getätigt werden, erfolgt automatisch ein Statusabgleich oder eine Zahlungserinnerung. Dadurch beschleunige sich der Zahlungsfluss, spare manuellen Aufwand und sorge für mehr Liquidität im Alltag, alles in Echtzeit.

Reduktion auf das Wesentliche

Dahinter steckt das Streben nach Reduktion auf das Wesentliche. „Statt Funktionsvielfalt muss der Fokus auf dem liegen, was im Alltag wirklich zählt: eine einfache und schnelle Rechnungserstellung, rechtskonforme Ablage sowie ein integrierter Zahlungsdienst.“ Die gezielte Fokussierung auf essentielle Funktionen sei kein Verzicht, sondern eine bewusste Strategie, die besonders Solo-Selbstständigen den Umgang mit ihrer Arbeit erleichtern solle. „Weniger ist oft mehr, bemisst sich der Wert eines Tools nicht an der Anzahl der Funktionen, sondern an deren Relevanz für den Alltag.“

                                   Die Billbob-App auf Tablet und Smartphone

Aus den Erfahrungen mit Invoiz hat Buhl seine Schlüsse gezogen und das Vorgehen angepasst. Denn mit dem Inhouse-Format profitiert die Marke Billbob unmittelbarer und schneller vom Verbund, nutzt von Anfang an bestehende Infrastruktur und Technologien der Unternehmensgruppe. Dazu gehören eigene Rechenzentren für die Cloud-Lösungen, die in den deutschen Standorten stehen; der Online-Shop als Vertriebsweg; oder das Buhl Banking mit Bafin-Lizenz, mit 90.000 Nutzern und einem Transaktionsvolumen von immerhin 250 Millionen Euro im Quartal.

Billbob als Kernprodukt

Billbob wird zu einem Kern- und Referenzprodukt in der gesamten Buhl Data Service positioniert, in dem die dort entwickelten Neuerungen auf andere Angebote abstrahlen - als ein Modell für die Zukunft. In der Vergangenheit habe sich das Unternehmen immer wieder gehäutet. So auch nun: „Wir brauchen die Klarheit, wie wir die neuen Instrumente einsetzen.“ Mit Billbob wird dieser Weg gezielt beschritten.

Schon bevor Moritz Buhl 2019 die Unternehmensführung übernahm und sich Vater Martin Buhl konsequent zurückzog, indem er ihm alle Firmenanteile übertrug, war die auflebende KI ein Thema. Der Vater habe die Entwicklung um KI erkannt, wurde schließlich mit Invoiz ausprobiert. Dennoch habe es Zeit benötigt, den Trend in konkrete Schritte umzusetzen. Schon während der 2017 übernommenen operativen Führung bei Invoiz, die ihn auf die Aufgabe an der Spitze der Buhl-Gruppe vorbereitete, hat er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt.

Auch wenn der Hype um Künstliche Intelligenz zu jenem Zeitpunkt noch nicht da war und man viel von Machine Learning sprach, hat sich der Betriebswirt, der an der European Business School den Bachelor in General Management und an der Universität in Mailand den Master in International Management machte, seit jeher für „Tech und Software“ interessiert. Da war schon klar, dass er seine berufliche Karriere im Unternehmen des Vaters suchen wird. Das fand er schon als Kind spannend. Mit sechs Jahren fuhr er in den Schulferien im LKW mit, um Ware auszuliefern. Als Teenager arbeitete er im technischen Support.

Von der Druckerei zum Software-Haus

Zu jener Zeit waren die Buhl-Produkte noch sehr analog, wurde die auf Disketten verbannte WISO-Software in Boxen verkauft. Vater Martin Buhl gründete das Unternehmen als Druckerei, die schnell auf die Produktion von magnetischen und optischen Datenträger wie Windows-CDs für Microsoft-Disketten fokussierte. Warum nicht auch die Inhalte produzieren, die sich auf den Datenträgern wiederfinden, also nicht nur die von Dritten entwickelte Software auf die Disketten brennen? 

So wurde unter anderem im Auftrag die WISO-Steuersoftware gefertigt, bis schließlich die wichtige Grundsatz-Entscheidung viel, die Inhalte für die WISO-Reihen zu entwickeln, womit der Wandel zum Software-Haus in den Bereichen Steuern, Finanzen, Business, Sicherheit und Multimedia erfolgte. Die WISO-Produktfamilie steuert heute immer noch den größeren Teil zum Geschäft bei. Zahlen nennt Moritz Buhl nicht; vor einigen Jahren wurde einmal über ein Umsatz von mehr als 80 Millionen Euro spekuliert.

„Wir leben davon, dass wir uns mit Themen beschäftigen, die keine Freude bereiten, die aber nun einmal notwendig sind und gemacht werden müssen, weil vorgeschrieben“, beschreibt der Firmeninhaber sein Geschäftsmodell. „Das ist unser Spielfeld.“ Auch wenn bei Steuererklärung, Buchhaltung, Büro, Verwaltung nicht unbedingt die Rede von Spielen, geschweige denn Spaß sein kann, die Produkte von Buhl Data Service erleichtern die Arbeit. Mit Künstlicher Intelligenz sieht Moritz Buhl eine große Chance, komplexe Produkte so zu bauen, dass sie einfach erscheinen, den Anwendern damit auch Bürde und Schrecken nehmen - und dass sich tatsächlich Dinge wie eine grauselige Steuererklärung einmal wie von Zauberhand bewerkstelligen lassen.

https://www.buhl.de/

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