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10 Jan
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Die Gründer von Vyoma erleben den ganz normalen Start-Up-Alltag. Nach zügigen Fortschritten in der Entwicklung eines satellitengestützen Vorwarnsystems für Schrott im Weltall kamen die Tücken in der konkreten Umsetzung, waren zeitraubende Konzept- und Design-Anpassungen erforderlich, entpuppte sich die Finanzierung wegen der verschlechterten Rahmenbedingungen für Risikokapital zäher als erwartet. Agilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit hat Vyoma auf die Probe gestellt. Die ersten zwei von insgesamt zwölf Satelliten sind gebaut und werden für ihre Mission im All vorbereitet. Nun  steht auch fest, wer sie ins All fliegt: SpaceX. Damit stehen die Zeitpläne - soweit die Gründer diese beeinflussen können. Ein Erfahrungsbericht.

11. Januar 2024 - Von Rüdiger Köhn, München (Aktualisiert am 5. Februar 2024)

Das Deeptech Vyoma könnte den Countdown starten. Denn es steht fest, welcher Raketenbetreiber die ersten beiden von insgesamt zwölf Satelliten ins All schießen wird. Lange haben die Gründer Christoph Bamann, Luisa Buinhas sowie Stefan Frey gesucht und verhandelt - und in SpaceX ihren Transporter gefunden. Das ist einer der bislang wichtigsten von vielen Meilensteinen für das im August 2020 gegründete Deeptech, das ein Warn- und Navigationssystem für Satellitenbetreiber entwickelt hat. Mittlerweile ist zudem die Finanzierung durch Investoren gesichert, mit denen sich die Gespräche länger als erwartet hingezogen haben. Das Produkt steht weitgehend, nachdem Designänderungen erforderlich waren. Das Team hat viele Hürden in den dreieinhalb Jahren des Aufbaus genommen. 

Vyoma will mit seiner Technologie Kollisionen in der Erdumlaufbahn vermeiden. Mit ihr können nicht nur kleinste Schrottteile ab einer Größe von zehn Zentimeter besser und genauer als bisher in der schier unendlichen Weite entdeckt werden. Sie ermöglicht auch mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz Voraussagen über die Flugbahnen dieser gefährlichen Geschosse und berechnen Ausweichmanöver der im Orbit befindlichen Satelliten, um Schäden zu vermeiden (siehe: „Vyoma: Alarmsystem für Weltraumschrott“ vom 23. März 2022, https://www.passion4tech.de/blog/vyoma-alarmsystem-f%C3%BCr-weltraumschrott). Das satellitengestützte Warnsystem will die Betreiber von Satelliten schneller und effektiver vorwarnen. Die Gründer greifen ein dringendes und drängendes Thema auf. Denn Schrott im All, darüber sind sich alle Experten einig, wird in den nächsten Jahren exponentiell zunehmen und zu einer immer größeren Gefahr für Satellitenkonstellationen werden.

Neben Space X wären auch die Ariane Group oder ein asiatischer Anbieter als Transporteur in Frage gekommen. New-Space-Raketenentwickler wie Isar Aerospace indes sind noch nicht soweit. Sie befinden sich in der Aufbauphase und sind für Vyoma nicht rechtzeitig startklar. Damit steht einer der bislang größten Ausgaben an. Ein Start ins All kann einen siebenstelligen Betrag kosten. Da SpaceX wesentlich kostengünstiger operiert als die etablierten Anbieter, könnte der Preis im hohen sechssteliigen Bereich liegen. 

Nicht nur diese Investition in den Start ist ein Meilenstein. Bamann, seine Kompagnons und das gesamte Team können nun vor allem fest planen. Das Startfenster für den Transport in das All hat sich auf das vierte Quartal dieses Jahres konkretisiert. Das erste Exemplar des kleinen Satelliten wird in diesen Wochen ausgeliefert und steht damit bereit für Tests. Der Countdown kann also anlaufen.

Huckepack mit SpaceX

Eigentlich. Es gibt nun einmal Dinge, die kann Vyoma in seinem Zeitplan partout nicht beeinflussen. Das Startfenster für den Lift-Off könnte sich weiter nach hinten verschieben, ins Jahr 2025 hinein. Das ist nämlich am Auftraggeber für die Hauptnutzlast (Großsatelliten oder ein Satellitenpaket) gebunden, die sich in der Rakete befinden wird. Die SpaceX-Rakete nimmt die relativ kleinen, etwa kühlschrankgroßen Vyoma-Flugkörper nur huckepack. Der Hauptkunde bestimmt das Tempo und entscheidet so über die Mitflug-Gelegenheit.

Christoph Bamann weiß aus bisherigen Erfahrungen nur zu gut, dass er bestimmte, Dinge nicht beeinflussen kann. Doch bei dem, was er, Buinhas sowie Frey kontrollieren können, hat Vyoma nach vielen Anpassungen, Verzögerungen und Korrekturen in der Entwicklung große Fortschritte gemacht. „Wir arbeiten jetzt konkret auf etwas hin“, gibt Bamann die Richtung für Vyoma vor. 

                              Christoph Bamann                                                            Foto Rüdiger Köhn

„Es herrscht bei uns noch mehr Aufbruchstimmung, weil wir nun ohne Unsicherheiten weiterarbeiten können.“ Nach vielen Aufs und Abs klingt Erleichterung durch. Bewegte Zeiten sind es seit dreieinhalb Jahren mit ständig wechselnden Rahmenbedingungen gewesen, wie sie viele Start-Up-Gründer in der Aufbauphase  durchleben - und durchleiden. Immer wieder musste das Konzept korrigiert werden, hat es sogar ein neues Design des Satelliten gegeben, mit Folgen für den Zeitplan: Der ursprünglich für den vergangenen Oktober geplante Start wurde zunächst auf Frühjahr 2024 verschoben, um dann noch einmal um weitere mindestens sechs Monate nach hinten verlegt zu werden. Bis jetzt. Auf das Startfenster für die Rakete hat Vyoma keinen Einfluss; solange die Hauptnutzlast nicht versandfertig ist, muss sich Bamann in Geduld üben.

Damit verzögern sich entsprechend auch die Folge-Starts der anderen zehn Satelliten, die nach den bisherigen Plänen eineinhalb Jahre später erfolgen sollten. Planänderung auch hier: Nicht alle Flugkörper werden dann - wie ursprünglich gedacht - auf einmal in die erdnahe, niedrigere Erdumlaufbahn (200 bis 2000 Kilometer Höhe) geschossen, sondern in mehreren Tranchen, womit die endgültige komplette Konstellation des Dutzends schwebender Warnmelder erst sehr viel später als beabsichtigt ihre Positionen einnehmen werden. Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf das gesamte Geschäftsmodell.

Nach Rückschlägen wächst neue Zuversicht

Die Lernkurve ist steil, gehören Unvorhersehbares und Aufschübe zum Start-Up-Alltag - verbunden mit neuem Mut und neuer Zuversicht, die auf Rückschläge folgen. „Es ist eine schönes Gefühl, nun eine klare Timeline zu haben“, sagt Bamann, der wie seine Mitgründer Buinhas und Frey ein Luft- und Raumfahrtexperte ist. Hohe Agilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in kürzester Zeit zeichnen Handeln und Philosophie von jungen Star-Ups aus. Immer wieder wird Vyoma von Neuem auf die Probe gestellt - und stemmt die Herausforderungen mit enormen Kraftaufwand. 

                         Die Gründer: Luisa Buinhas, Christoph Bamann, Stefan Frey                    Foto Vyoma

Die Widrigkeiten, mit denen die Gründer fertig werden mussten, sind vielfältig gewesen. Erst im Juni 2023 war die erweiterte Seed-Finanzierung von insgesamt 8,5 Millionen Euro vollbracht. „Das hat sich sehr gezogen“, erinnert sich Bamann. Zu sehr war alles miteinander verwoben. Die Zurückhaltung der Risikokapitalgeber angesichts der unsicher gewordenen Wirtschaftslage war nur ein Faktor. Um Geldgeber auf ihre Seite zu ziehen, musste erst ein Hersteller für die Satelliten gefunden werden. Das war mit dem bulgarischen Anbieter EnduroSat im vergangenen Sommer nach längerer Suche schließlich erfolgt. EnduroSat ist seinerseits ein Start-Up, in dem auch der deutsche Investor Frank Thelen engagiert ist und der kleine Satelliten (Cubes) baut. Zudem musste die Lieferkette für Rohstoffe, Komponenten, insbesondere für die Teleskope als Kernelement der Vyoma-Orbiter gesichert und terminlich fixiert werden. „Das haben wir alles geschafft, womit wir schließlich die Investoren überzeugen konnten.“ 

Spätestens in den Gesprächen mit denen reifte endgültig die Erkenntnis, dass Vyoma nun einmal ein Deeptech ist: Eine komplizierte Technologie wird entwickelt, wofür Zeit, Geduld, insbesondere auch Geld mit einem langen Anlagezeitraum vonnöten ist. Deeptech-Investoren sind im Gegensatz zu anderen Financiers langfristig orientiert und richten ihre Engagements nicht auf Umsatz aus, sondern auf das Erreichen von Meilensteinen - den erzielten technologischen Fortschritten. „Uns ist bewusst, dass wir zu dieser Start-Up-Kategorie gehören“, sagt Bamann. „Uns war aber nicht so klar gewesen, was das in der letzten Konsequenz bedeutet.“

Mit 16 Millionen Euro auf solider Basis 

Das Geschäftsmodell von Vyoma basiert auf dem Abo-Modell SaaS (Software as a Service). Dazu muss erst einmal die Konstellation - also die Formation der Satelliten - im All positioniert sein und funktionieren. Und selbst dann kann es sich noch hinziehen, bis die Zuverlässigkeit und die erforderliche hohe Präzision erzielt werden kann. Neben dem bereits seit Jahren erfolgenden Daten-Mining sind weitere immense Daten aus der Praxis im All-Alltag zu sammeln, damit Künstliche Intelligenz diese zur Früherkennung, für Prognosen und notwendige Ausweichmanöver verarbeiten kann. „Der große Sprung im Geschäft kann erst mit der erwiesenen Qualität der Dienste kommen.“ An eine Serie-A-Finanzierung sei da derzeit noch nicht zu denken.

                              Es wird voll im All, mit Satelliten - und Schrott

Und so haben sie vor über einem halben Jahr anstatt der erhofften 10 Millionen Euro nicht ganz so viel einsammeln können, dafür aber namhafte und auf das Metier spezialisierte Investoren gefunden. Zum Klub von insgesamt vier Geldgebern gehört Safran Corporate Ventures vom französischen Luft- und Raumfahrtkonzern Safran. Da hat sich ausgezahlt dass es zuvor Kontakte und Kooperationen gegeben hat. Mit dabei ist auch Atlantic Labs aus Berlin, die sich als erster Geldgeber in der Pre-Seed-Phase schon sehr früh engagierte. Außerdem gehören Faber Venture aus Lissabon sowie Happiness Capital aus Hongkong dazu.

Wie wichtig die Meilensteine für die Investoren ist, zeigt die enorme Dynamik der vergangenen Wochen. Denn die Geldgeber haben nach den jüngsten Erfolgen ihr Inestment nun auf mehr als 16 Millionen Euro verdoppelt - was Bamann, Buinhas und Frey durchaus als Vertrauensbeweis für ihr Geschäftsmodell werten können. 

Damit ist der Weg für die wichtige Pilotphase und die Vorbereitung für den Start der zwei Satelliten frei und durchfinanziert. Das ist auch möglich geworden, weil Vyoma - hier kommt ein weiterer Grund für die Verzögerungen ins Spiel - noch einmal am Design gearbeitet hat: Mit einer effektiveren Version können die Kosten erheblich gemindert werden. Ursprünglich sollte der Späher-Satellit über ausfahrbare Solar-Panelen mit Energie versorgt werden. Vor einem Jahr jedoch reifte die Idee, statt der aufwendig ausfahrbaren Sonnenflügel nun Panele an den Wänden der 80 Zentimeter langen und 50 Zentimeter hohen wie breiten Box zu montieren. Das Teleskop wird ausgefahren, nachdem sich eine Klappe geöffnet hat. Damit ergab sich eine beträchtlich Änderung des Designs. Der Satellit wird dann im ausgefahrenen Zustand 1,35 Meter lang sein und in einer Höhe von 525 Kilometer im Low Orbit operieren.

Lieferkette steht - ein Asset

Dazu mussten Konstruktion und Teile angepasst werden. Erst danach konnte die Lieferkette final aufgebaut werden, die nun steht; inklusive der Unterstützung auf der Software-Seite durch den französischen Software-Konzern und IT-Dienstleister Atos. „Diese Fortschritte sind für Vyoma ja schon ein Asset“, sagt Bamann. Mit EnduroSat als Satellitenbauer und der erfolgreich abgeschlossenen Seed-Runde seien so wichtige Etappen erreicht. Die nächste ist die Fertigstellung der beiden ersten Teleskope, die zu Jahrebeginn in die Testphase eintreten, um sie nach jetzigem Zeitplan frühestens im Mai an EnduroSat für die Vorbereitungen des Starts auszuliefern.

                         Modell des Frühwarnsystems

Und auf der Seite potentieller Kunden hat sich der Interessentenkreis in der Zwischenzeit erweitert. Standen bislang die Satellitenbetreiber als Zielgruppe im Fokus, ist nun staatlicherseits Neugierde aufgekommen. Es gibt dazu sogar schon Kontakte  in Berlin. Worum es da geht, will und kann Bamann noch nicht sagen. Verwegen, aber denkbar erscheint, dass womöglich der Staat erster Auftragegeber für Vyoma werden könnte. So neu ist das mit einem öffentlichen Interessenten nicht. Denn auch mit dem portugiesischen Militär gibt es zum Beispiel bereits Kontakte.

Auf Kundensuche für die erste Mission

„Für uns ist es wichtig, dass wir für die erste Mission mit den beiden Satelliten einen Kunden finden“, betont der Gründer. Denn im Realbetrieb würden Unmengen an verlässliche, relevante Daten gesammelt und ausgewertet sowie wichtige Zusatzerfahrungen gemacht werden. Das Interesse der Satellitenbetreiber, so die Hoffnung, würde dann mit dem realen Einsatz im All, der Praxiserfahrung sowie der Validierung des Modells steigen.

Es gibt weitere Schübe, die Anlass zu Optimismus geben und motivieren: Im Herbst 2023 hat Vyoma zwei Raumstarts in vom Bund geförderten Kleinsatelliten-Wettbewerben des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gewonnen. Partner EnduroSat gehörte in einem der DLR-Wettbewerbe ebenso zu den Siegern. Vor einem Jahr haben schon die jungen Raketen-Betreiber Isar Aerospace aus München und Rocket Factory aus Augsburg derartige Preise geholt. Das gibt Anerkennung und bestätigt die Richtigkeit und die Dringlichkeit des Vyoma-Modells. Und der bayerische Freistaat gibt im Rahmen seines Technologie-Förderprogramms BayTP+ ebenfalls Stütze für die Entwicklung des für Vyoma so elementaren Katalogisierungs- und Datensystems. 

Nach der Dynamik der vergangenen Wochen und Monate hat Vyoma - obwohl noch gar nicht am Markt - an seiner Identität gerabeitet und sein Markenlogo verfeinert:

Schlanker, filigraner als das bisherige mit fetteren Lettern kommt der neue Schriftzug daher und soll die eigenen Fähigketen besser zum Ausdruck bringen: Agilität, Flexibilität, Dynamik.

https://www.vyoma.space/

https://www.dlr.de/rd/desktopdefault.aspx/tabid-2265/3376_read-5091/

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