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19 Apr
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Bulent Altan ist Türke, Deutscher, Amerikaner. Als CEO von Mynaric bringt er die Laserkommunikation im Weltraum und in der Luftfahrt voran. Erfahrung hat er  genug: Er ist einer der Väter der Raketen Falcon 9 und Dragon von Elon Musks SpaceX; das Raumfahrtunternehmen, das gerade von der Nasa den Zuschlag für eine Mondmission erhalten hat. 

19. April 2021 - Von Rüdiger Köhn, München

Herumlavieren ist nicht die Sache von Bulent Altan. Der Vorstandsvorsitzende von Mynaric liebt klare Ansagen – und geht damit auf Distanz zu China. „Das steht nicht mehr auf der Geschäftsagenda, wir finden unsere Hauptkunden in den Vereinigten Staaten“, definiert er seinen relevanten Aktionsradius. „Mit dem Rückzug aus China haben wir die westliche Welt zu unserem Markt erklärt.“ Das sind etwa die Regierungen in den USA, in Europa, Japan, Israel und Korea oder auch die Nato.

Nun ist die Volksrepublik nicht Quell großer Geschäfte für den 2009 gegründeten und 2017 an die Börse gegangenen Anbieter von Systemen für Laserkommunikation gewesen; die Opfer dürften also überschaubar sein. Doch musste es ein deutliches Signal geben, wo sich die Hauptmärkte für das Unternehmen aus Gilching bei München befinden, das sensible Produkte für den Einsatz in Satelliten, Flugzeugen und in der Rüstung baut. „Keine Frage: Wir agieren in einem harten politischen Umfeld und Klima." Anders ausgedrückt: Wer mit China Geschäfte macht, hat in Amerika keine Chancen. 

Das resolute Verhalten gegenüber der politischen und wirtschaftlichen Übermacht im fernen Asien mag also keine Konsequenzen haben. Doch das Handeln ohne Umschweife ist typisch für den 43 Jahre alten Informatiker und Raumfahrtingenieur – der in Istanbul geboren ist, dort auf ein österreichisches Gymnasium ging, mit 18 Jahren an der TU München sein Studium begann, mit 23 Jahren an der kalifornischen Stanford University studierte, zwölf Jahre einer der Hauptarchitekten von Falcon 9 und Dragon des Raumfahrtunternehmens Space X von Elon Musk war, im März 2019 zu Mynaric wechselte und im Juli 2020 Vorstandschef wurde.

                                             Bulent Altan                        Fotos/Grafiken Mynaric

„Ein klarer Standpunkt ist das, was unsere Aktionäre, Kunden und Gesprächspartner erwarten“, lautet seine Devise. „Sich alle Optionen immer nur offen zu halten, bringt dich am Ende nirgendwo hin.“ Eindeutige Prinzipien sind ein Muss sind in einem Metier, in dem kleinste Fehler großen Schaden bewirken können; ob im Bau von Raketen von Space X oder in der anspruchsvollen Technologie von Mynaric, die in einen Schuhkarton passt.

Laserkommunikation in der Luft und im All ist das, was das verbuddelte Glasfasernetz auf der Erde ist. Es geht um eine leistungsfähige Vernetzungsplattform, mit der Satelliten in der Umlaufbahn, Flugzeuge, unbemannte Fluggeräte wie Drohnen auch unter einander kommunizieren können. Da werden Datenvolumen im Umfang von Tausenden von Videostreams zur selben Zeit zwischen einer Vielzahl von Satelliten und Flugzeugen über einen Infrarot-Laser ausgetauscht. Mit Funkfrequenzen ist das nicht zu stemmen.

„Man muss für eine Position und für Prinzipien stehen.“ So sieht der Mynaric-Chef auch eine Grundlage, von erhofften hohen Wachstumsraten in einem noch jungen Markt zu profitieren, der sich in einem politisch eingebetteten Umfeld herausbildet. „Das sorgt für Vertrauen“, sagt er. „Ehrlichkeit und Transparenz stehen ganz oben auf der Werteskala von Mynaric.“ 

Altan spricht natürlich deutsch, doch er fühlt sich wohler, wenn der Türke-Deutsche-Amerikaner englisch sprechen kann. Er pendelt auch in Pandemiezeiten zwischen München und Los Angeles, verbringt jeweils die Hälfte seiner Zeit dies- und jenseits des Atlantiks. In Deutschland hat er einen Tesla, in Kalifornien dergleichen drei in der Garage stehen. Er lacht, und das ziemlich viel, etwa wenn er sagt: „Mein ganzes Leben besteht aus Raketen und Kapseln.“ 

Mit 23 Jahren ging er nach Stanford und machte nach zweieinhalb Jahren einen Abschluss. Währenddessen hat er konkret an Raketentechnologien und Treibstoffkapseln gearbeitet. Tesla- und Space-X-Gründer Elon Musk, der händeringend nach Spezialisten für sein junges Unternehmen mit einem ehrgeizigen Weltraumprojekt als Ziel suchte, wollte Altan unbedingt für sein kleines und junges Raumfahrt-Team haben. Der gab sich zunächst widerspenstig.

Eine perfide Taktik musste her. Musk kontaktierte Google-Gründer und -Chef Larry Page, der eine wichtige Mitarbeiterin nach Los Angeles versetzen sollte. Bulent Altan hatte auf einmal keine andere Wahl mehr, als seiner Frau Rachel zu folgen. Im Jahr 2004 fing er seinen „ersten echten Job“ in El Segundo bei Los Angeles an; als einer von damals 40 Mitarbeitern. Eine größere Garage, wie er sagt. Dagegen sei das neu bezogene Mynaric-Gebäude in Gilching nahe dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen riesig.

Altan baute den Bereich Luftfahrtelektronik mit Anfangs sieben Mitarbeitern auf später 200 Beschäftigte aus. Er zählte als Chefingenieur zu den wichtigsten Mitgliedern im damaligen Kernteam von Musks inzwischen etablierten Raumfahrtunternehmen. Vom reinen Ingenieur wandelte er sich zu einem Manager, der die Elektronik mit entwickelte und sie in die Rakete integrierte. Er habe recht schnell ziemlich gut verstanden, wie die Teile zusammengesetzt werden und dann auch passten. Wieder lacht er.

Er verstand sein Geschäft. "Ich war einer der Hauptarchitekten." Er hat so am Ende maßgeblich zum Aufbau eines Unternehmens beigetragen, das Ende vergangener Woche den Auftrag für eine neue Mondmissionn im Volumen 2,9 Milliarden Dollar von der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa erhalten hat und die Landung auf dem Erdtrabanten vorbereiten soll. Space-X hat damit Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos als konkurrierenden Bieter ausgestochen.    

Nach zwölf Jahren ging Altan trotz seines Enthusiasmus aber doch die Luft aus. Er sah sich damals am Höhepunkt des Projektes angelangt - und kaum noch neue große Herausforderungen. Und noch ein Prinzip gilt: „Ich wollte immer mehr, als mein ganzes Leben nur in einem Unternehmen zu verbringen.“ 2014 zog es ihn nach Deutschland zurück, nahm sich nach dem Space-X-Abenteuer eine Auszeit, schloss sich den Techfounders an – eine Gruppe von Einzelinvestoren, die sich als Unterstützer (Accelerator) in jungen Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt engagierten.

Er stieg nach Gründung von Isar Aerospace im Jahr 2018 als einer der ersten Investoren bei dem Münchner Raketenentwickler ein, wo er Verwaltungsratsvorsitzender ist (Chairman of the Board). Er investiert weiterhin über die Alpine Space Venture in junge Unternehmen. Der einstige Airbus-Vorstandschef Tom Enders gewann ihn für den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern, wo Altan 2016 anfing, frische Ideen einbringen sollte und wollte. Er hielt es nicht lange aus. Nach sechs Monaten war er weg. Es ging einfach nicht, so sehr er die Bemühungen zum Wandel begrüßte.

„Ich würde wohl erst 60 Jahre alt sein, bis sich dort etwas ändert“, grinst er; bei allem Respekt gegenüber den dort arbeitenden Ingenieuren. „Für mich muss alles schnell gehen; bei Space-X haben wir Entscheidungen in fünf Minuten getroffen, wofür andere Unternehmen Monate brauchen.“ Space-X lockte wieder. Eineinhalb Jahre arbeitete er in Seattle am Internet-Satellitensystem Starlink mit.

Dann stieß er auf das kleine Unternehmen in Gilching. „Je mehr ich über Mynaric erfahren habe, umso mehr hat mich dessen zentrale Rolle in der Laserkommunikation fasziniert.“ Investordasein kam indes nicht in Frage. „Ich will keine Randfigur sein, ich will mittendrin sein.“ Er sah neue Herausforderungen. „Für mich als CEO ist es wichtig, den Fokus und das Profil von Mynaric zu schärfen, für unser Portfolio wie für unsere Kunden.“ Denn er sei markt- und produktorientierter. Vor seinem Eintritt habe Forschung, Entwicklung und Innovation „in der Breite statt hochfokussiert stattgefunden“. Während Mynaric-Gründer Joachim Horwarth als Technologievorstand geblieben ist, schied Mitgründer Markus Knapek mit dem Eintritt von Altan aus, blieb aber noch bis Ende 2020 Berater.

Es geht jetzt darum, den Verkauf der Laserkom-Produkte hochzufahren. Mynaric mit seinen fast 200 Mitarbeitern beginnt in diesem Jahr mit der Serienproduktion im neuen, 4500 Quadratmeter großen Hauptquartier mit einer 1600 Quadratmeter großen Fertigungshalle. Langsam fährt die Fertigung hoch. In diesem Jahr werden nur zweistellige Stückzahlen der „Schuhkartons“ zum Preis in sechsstelliger Höhe hergestellt. 2022 sollen es Hunderte sein. Das Potential für den Einsatz jedenfalls ist groß. Gigantische Satellitennetzwerke entstehen in der erdnahen Umlaufbahn mit Starlink von Space X (12 000 Stück), Kuiper von Amazon (3200) oder One Web (650). 

Mynaric agiert als eigenständiges Unternehmen in dieser noch relativ neuen Branche. Bei Airbus oder Thales Alenia Space übernehmen das Geschäft Abteilungen. Neben pirvaten Auftraggebern wie Telekomgesellschaften, Flugzeugbauer oder private Satellitenbetreiber sind es in erster Linie öffentliche Aufträge von Regierungen, die zählen.

 „Im vergangenen Jahr hat sich Mynaric das erste Mal an einer Ausschreibung für einen Lasercom-Vertrag in den Vereinigten Staaten beteiligt und gleich durchgesetzt.“ In den nächsten Monaten könne der Abschluss von etlichen größeren Kontrakten folgen, kündigt Altan an. Ein wichtiger Kunde könnte die amerikanische Regierungsorganisation Space Development Agency (SDA) werden, die auch für das Pentagon arbeitet. Die sieht ungern Chinesen in der Klientel von Mynaric.


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