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02 Jun
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Die Start-Up-Szene erklimmt neue Höhen. Vor drei Jahren war es etwas Besonderes, den Unternehmenswert von 1 Milliarde Dollar zu erreichen und zum Unicorn (Einhorn) aufzusteigen. Heute geht es um das Zehnfache:  Die 2011 gegründete Celonis aus München ist nun 11,1 Milliarden Dollar wert - und ein Decacorn. Davon gibt es in Europa nur eine Handvoll. Investoren haben dem Team um die drei Unternehmensgründer von der TU München 1 Milliarde Dollar gegeben. Die glauben fest an das gewaltige Potential von „Process Mining“: Künstliche Intelligenz, die Unternehmen mit straffen Prozessen fit für die digitale Zukunft macht.

2. Juni 2021

Der Aufstieg ist rasant. Das Münchner Start-Up Celonis hat mit seiner vierten Finanzierungsrunde seit seiner Gründung 2011 ein beachtliches Volumen von 1 Milliarde Dollar bei Investoren mobilisiert. Der Anbieter von Software für effektive Prozessabläufe im Unternehmen hat dadurch seine Bewertung sprunghaft von zuletzt 2,5 auf 11,1 Milliarden Dollar mehr als vervierfacht.

Celonis hat so einen neuen Ritterschlag erhalten: Es gehört nun zur exklusiven Gruppe der „Decacorns“ – Neugründungen, die mit mehr als 10 Milliarden Dollar bewertet sind. Erst im Jahr 2018 haben die Münchner den Status des Einhorns – englisch „Unicorn“ – erhalten. Das hatte damals schon Nachrichtenwert gehabt, weil es zu der Zet nicht viele Start-Ups in Deutschland gab, die mit mehr als 1 Milliarde Dollar bewertet worden waren, Die neue Dimension in der Risikokapitalszene lautet: zehn Mal Einhorn.

     Die Unternehmensgründer, Macher und Vorstände                                                                 Fotos Celonis


Mit der am Mittwoch bekanntgegebenen Finanzierung gehört Celonis zu den noch wenigen „Decarcorns“ in Europa. Der schwedische Finanzdienstleister Klarna etwa ist seit September 2020 mit einem Wert von 10,7 Milliarden Dollar im exklusiven Klub. Das erste europäische Unternehmen der Kategorie soll die in Rumänien gegründete Uipath gewesen sein, die heute ihren Sitz in New York hat und börsennotiert ist. 

Wie Celonis war auch Uipath 2018 zum Einhorn aufgestiegen, hatte schon Ende 2019 einen Unternehmenswert von etwas mehr als 10 Milliarden Dollar. Beide wecken bei Investoren mit ihren ähnlichen Geschäftsmodellen Interesse, die hohe, lukrative Wachstumsraten versprechen: Sie sind auf Unternehmenskunden ausgerichtet, die effizienter, schneller und schlagkräftiger werden wollen – insbesondere in der Zeit der Digitalisierung. Uipath bietet eine Art Softwareroboter, der sich wiederholende Standardtätigkeiten am Computer automatisiert, was Arbeitskräfte einspart.

Drei neue namhafte Geldgeber mit Gewicht

Ausgeklügelter klingt das Konzept der von drei Absolventen der TU München gegründeten Celonis. Unter dem Schlagwort „Process Mining“ übernimmt die künstliche Intelligenz in einer Software die Suche nach Einsparpotentialen in allen erdenklichen Geschäftsprozessen eines Unternehmens und optimiert sie. Finanzinvestoren sehen darin ein großes Potential. In der vierten Finanzierungsrunde sind unter anderem drei namhafte Geldgeber mit Gewicht hinzugekommen – Durable Capital Partners, T. Rowe Price sowie Franklin Templeton. Auch die Wegbegleiter der ersten Geldsammelaktion 2016 haben sich wieder beteiligt, darunter Arena Holdings und Accel.

Celonis-Mitgründer und Co-Vorstandsvorsitzender Bastian Nominacher spricht von einem noch gewaltiges Potential im Markt für Process Mining: „Bis 2025 erreicht das durchschnittliche Wachstum jährlich 75 Prozent. 2019 war er mit einem Volumen von 245 Millionen Dollar nicht einmal eine Nische, 2025 soll das Volumen auf mehr als 7 Milliarden Dollar steigen. „Die Corona-Krise hat der Digitalisierung und damit unserem Geschäft zusätzlich Schub verliehen“, ist Nominacher überzeugt.

Unternehmen müssen mit schneller werdenden Marktzyklen, kürzeren Entwicklungs- sowie Entscheidungsprozessen mithalten. Die Software von Celonis durchleuchtet Bestellvorgänge, Informationstechnik, Rechnungsabläufe, Lieferketten- und Kundenmanagement sowie Finanzwesen nach Schwachstellen – „wie ein Röntgengerät“, wie Nominacher sagt; nur dass die künstliche Intelligenz des Celonis-Programms die Schwachstellen gleich mit beseitigt.

Deutsche Telekom holt 66 Millionen Euro raus

Kostenträchtige und behindernde Ineffizienzen werden so getilgt. Die Deutsche Telekom hat nach Angaben von Celonis 66 Millionen Euro dadurch eingespart, dass Doppelzahlungen für eingekaufte Leistungen vermieden und durch das pünktliche Begleichen von Rechnungen die Skonti erhöht werden konnten. Die Deutsche Bank hat sich vorgenommen, im nächsten Jahr mehr als 60 Millionen Euro mit der Software einzusparen, wobei nur 40 Prozesse mit Hilfe von Celonis-Technik optimiert werden sollen. Bei Siemens verwenden mehr als 6000 Nutzer die Software in den Bereichen Finanzen, Einkauf, Logistik, Produktion und Vertrieb. 

Zu den mehr als 2000 Kunden gehören ABB, BMW, Bosch, Lufthansa, Astra Zeneca Coca Cola, Citibank, Dell, L'Oréal, Vodafone, Uber oder der weltgrößte Brauereikonzern Anheuser-Busch Inbev. Gerade in der Pandemie-Bekämpfung haben sich laut Nominacher die Vorteile eines solchen Systems gezeigt. Die Software habe wie Kontrollzentren über die Zulieferungen für die Impfstoffproduktion gewacht und gesteuert.

Insgesamt hat Celonis jetzt 1,4 Milliarden Dollar eingesammelt. In den ersten drei Finanzierungsrunden  zwischen 2016 und 2019 kamen knapp 370 Millionen Dollar zusammen. Mit dem jetzt fast dreimal so hohen Mittelzufluss soll die Expansion eines vor sechs Monaten neu auf den Markt gebrachten Produktes beschleunigt werden. 

Effizient wie Amazon werden

Es ist für Celonis auf unerwartet große Resonanz gestoßen. Es gehe nun um die Weiterentwicklung des neuen Execution Management Systems (EMS) sowie deren Verbreitung, die den weltweiten Ausbau des Vertriebs- und Servicenetzes erfordere, sagt Nominacher. Dazu gehört ebenso die Erweiterung der Cloud-Infrastruktur. Die Kunden hätten positiv reagiert, weil sie mit EMS die Prozessdaten nutzen könnten, um die Geschäfte so effizient wie Amazon zu betreiben – „ohne aber etwas an ihren zugrundeliegenden Systemen ändern zu müssen“.

Celonis beschäftigt derzeit mehr als 1300 Mitarbeiter Das ist denn auch die einzige Zahl, die Nominacher preisgibt. Details zu wiederkehrenden Umsätzen als Haupteinnahmequelle, die auf Lizenzeinnahmen und Dienstleistungen basieren, sind tabu. Uipath , auch wenn ein Vergleich wegen der unterschiedlichen Ausrichtung schwer möglich ist, erzielt mit knapp 8000 Kunden etwa 580 Millionen Dollar an wiederkehrenden Umsätzen. Im Herbst 2018 war einmal die Rede von 100 Millionen Dollar.

Kunden sind wichtiger als ein Börsengang

Ein Börsengang mag für Nominacher „langfristig interessant“ sein. Aber: „Das bündelt Kapazitäten, unser Kerngeschäft mit den Kunden ist uns wichtiger“, setzt er  Prioritäten. Der Gang an den Aktienmarkt über einen Börsenmantel eines „Spacs“ – derzeit groß in Mode – käme angesichts der erreichten Größe ohnehin nicht in Betracht. „Das passt nicht mehr zu uns.“ 

Wozu auch? Die neuen und alten Investoren scheinen den Gründern vorerst zu genügen. Das Interesse an Finanzierungen sei sehr groß, deutet er weiteren Spielraum an. Noch wichtiger erscheint ihm, dass die Geldgeber langfristig orientiert seien. „Sie agieren konservativ und engagieren sich langfristig mindesten fünf Jahre“, sagt er – und vergisst nicht hinzuzufügen: „Alle sind bis jetzt an Bord geblieben.“

                                                                                                                                                      Quelle Celonis


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