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27 Mar
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"Boring" heißt auf deutsch "Bohren" - oder "langweilig". Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk hat sich ein Wortspiel erlaubt, als er The Boring Company gegründet hat. Die entwickelt ein Tunnelbohrsystem, mit der der Amerikaner auch einmal die Tunnel für das von ihm initiierte Transportsystem Hyperloop bauen will. Das ist alles andere als langweiilig, schon gar nicht für Studenten der TU München, die einen Bohrer gebaut haben, mit dem sie am Wettbewerb "Not-a-Boring Competition" teilnehmen; ausgetragen natürlich von Elon Musk in der kalifornischen Mojave-Wüste.   

27. März 2021 

Hört man den Tüftlern von TUM Boring zu, stellt sich zwangsläufig eine Frage: Was beeindruckt an diesem Team von 60 Studentinnen und Studenten der Technischen Universität München mehr? Dass sie zu den zwölf Finalisten - den "The Digging Dozen" (Das grabende Dutzend) - eines von Elon Musk ausgerufenen Wettbewerbs zum Bau einer Tunnelbohrmaschine gehören? Mit einem 120 Seiten langen Bewerbungskonzept haben sie sich gegen fast 400 Mitbewerber aus aller Welt durchgesetzt und treten im Sommer in Kalifornien neben dem deutschen Team "Dirt Torpedo" der Dualen Hochschule Baden-Württemberg vor allem gegen Amerikaner und Briten an.

Oder besteht die größere Leistung vielmehr darin, dass die Gruppe einen schweren Tunnelbohrer hauptsächlich virtuell entwickelt hat? Corona hat Teamarbeit mit physischer Präsenz und notwendiger Haptik nahezu unmöglich gemacht. Viele der sechzig haben sich nicht einmal persönlich kennengelernt. Dreißig Wochen haben sie verbracht, um mit dem Einzug in das Finale, das irgendwann im kalifornischen Sommer ausgetragen werden soll, ein wichtiges Etappenziel zu erreichen.

     Das virtuelle Team TUM Boring                                                                                Fotos TUM Boring

Für Haokun Zheng - 20 Jahre, Informatikstudent im dritten Semester und Vorsitzender des fünfköpfigen Vorstands im Verein TUM Boring - macht es keinen Unterschied, ob man sich virtuell oder persönlich zusammenrauft. Mit dem Lockdown sei man ohnehin gewohnt, von zu Hause zu arbeiten. Wichtiger ist für ihn: "Jeder von uns ist durch Motivation und Leidenschaft getrieben."

"Wir im Vorstand haben uns persönlich zuletzt vor mehr als drei Monaten getroffen", fügt Marvin von Hagen hinzu, 21 Jahre, Student im Fach Technologie und Management, Vorstandsmitglied, wie Zheng zuständig für alle nichttechnischen Belange. Der Österreicher Max Herbst sieht es ganz pragmatisch, spricht vom Glück, dass die Bewerbung rechtzeitig fertig geworden ist. 

Jetzt gebe es so etwas wie eine Pause. Denn die notwendigen mehr als 1000 Teile für den Bohrer müssen bestellt und gefertigt werden. Er hofft, dass bis zur Lieferung der Lockdown vorüber ist und das Werkeln beginnen kann. Herbst ist 25 Jahre alt, ebenso Technologie-und-Management-Student, der im Vorstand als ausgebildeter Mechatroniker die technische Projektleitung übernommen hat.

Die drei stehen für die Protagonisten von TUM Boring. Das sind Mitglieder aus 16 Nationen von fast 20 Fakultäten der TU München, Ludwig-Maximilians-Universität, der Hochschule München, ja sogar mit einem Vertreter der Freien Uni Berlin. Manche sind nach Brasilien, Kolumbien, Mexiko oder Singapur zurückgeflogen. Videotreffen über sechs Zeitzonen, da muss man erst einmal den richtigen Termin finden. Was soll's: "Wir haben Spaß und Bock drauf", sagt von Hagen.

     Fünf von Sechzig: Haokun Zheng, Elias Schmid, Max Herbst, Marvin von Hagen, Kilian Schmid (v.l.)

Ende Januar kam die Nachricht: Sie gehören zu den "Digging Dozen". Der Wettbewerb "Not a Boring Competition" ist ein Wortspiel. "Boring" heißt auf Englisch "Bohren" - und "langweilig". Elon Musk, Gründer von Tesla und dem Raumfahrtunternehmen Space X, hat "The Boring Company" gegründet. Die verkauft Bohrmaschinen, die zügig und kostengünstig Tunnel bauen; später einmal auch die für Hyperloops, ein Tunnel-Transportsystem mit Schallgeschwindigkeit. 

Das reizte sechs Studenten, die im Juli vergangenen Jahres von dem Wettstreit von Musk erfuhren. Gegraben werden soll ein 30 Meter langer Tunnel mit einem Durchmesser von 50 Zentimeter. Es kommt auf Tempo und Genauigkeit an. Sieger wird, wer die Bohrmaschinen am schnellsten aufbaut und bohrt, wer präzise das vorgegebene Ziel erreicht. Sauber muss gearbeitet werden, Geröll darf nicht rumliegen. Elon Musk führt höchstselbst in der Mojave-Wüste die abschließende Qualitätskontrolle durch: Ein ferngesteuertes Tesla-Modell muss unbeschädigt am Tunnelende wieder ans Tageslicht fahren.

                                             Kilian Schmid flext am ersten Prototypen

Die Konkurrenten des Bostoner Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben sich einen Laserbohrer einfallen lassen. Die konventionelle Herangehensweise mit einem richtigen Bohrer mag dagegen archaisch anmuten, tatsächlich kommt es auf die Software an, die in dem Gerät steckt. 

Kilian Schmid - 22 Jahre, Mechatronik-Student nicht der TUM, sondern der Hochschule München, im Vorstand und ebenso technischer Projektleiter - hat das Projekt mit angestoßen. Als Kind träumte er davon, im Garten seiner Eltern eine Eisenbahn aufzubauen, die durch einen Tunnel fährt. Der Hobbybastler hat 2018 mit einem selbstentwickelten kleinen Bohrer endlich seinen Traum erfüllt; sein Bruder Elias, 21 Jahre und Luft- und Raumfahrtstudent ebenfalls an der Hochschule, ist immer dabei gewesen, nun auch im Team.

                                             Durchbruch

Die Basis für TUM Boring war geschaffen. Noch im Sommer gab es mit Kilians weiterentwickelter Errungenschaft erste Bohrerfolge: ein zwei Meter langer Tunnel. Bis Oktober fand sich ein Kernteam von 14 Studenten zusammen. Max Herbst, der später dazu kam, bringt die höchst willkommene Expertise des Technikers ein. Für ihn gibt es nichts Schöneres, als in der Freizeit zu tüfteln und zu basteln. 

In jenem Herbstmonat führte ein Aufruf im studentischen Netzwerk zu einer unerwarteten Dynamik. Statt erhoffter vierzig rauften sich binnen eines Tages sechzig Studenten zusammen. Zu sehr hat eine andere studentische Initiative Wirkung gezeigt: TUM Hyperloop hat alle vier der ebenfalls von Musk in Los Angeles ausgetragenen Wettbewerbe "Space X Hyperloop Pod Competition" gewonnen, mit der schnellsten Kapsel für das Transportsystem.

"Ohne Hyperloop wäre ich gar nicht nach München gekommen", sagt der aus Ybbsitz in Österreich kommende Herbst. Auch für den aus Essen stammenden van Hagen war der Umzug nach München kein Zufall. Für den Düsseldorfer Zheng war entscheidend, dass es ein Umfeld gibt, das solche Projekte ermöglicht. An TUM Boring reizte ihn als Informatiker die Praxisnähe, wie die anderen sechzehn Mitglieder derselben Fakultät. Sie stellen vor den elf Maschinenbauern die größte Gruppe.

"Es ist die Lust, Software am Praktischen auszuprobieren", sagt er. Anders als das visionäre Verkehrskonzept Hyperloop hat die Herausforderung für TUM Boring einen direkten Realitätsbezug "Tunnel zu bauen ist teuer und kostet viel Zeit." Da seien kompakte, kostengünstige Bauweisen gefragt.

Herbst verweist auf Treffen mit Vertretern eines Herstellers von Abwassertunnel. "Die Teilnahme am Wettbewerb ist da Gold wert." Eine Siegerurkunde könnte hilfreich für Kontakte zu Tiefbauunternehmen sein, schmunzelt Zheng. Die gibt es schon. Tiefbauspezialist Bauer AG, am Bau der zweiten Stammstrecke in München beteiligt, ist Sponsor; ebenso Thyssen-Krupp und die amerikanische Autodesk, Software-Anbieter etwa für Design im Hoch- und Tiefbau.

Für mehr als virtuelle Kaffeekränzchen - Zheng nennt es "Radom Coffee" - oder für Spieleabende via Zoom und Skype hat es zum Kennenlernen im Team meist nicht gereicht. Ihre Hyperloop-Kollegen hatten es des wesentlich besser getroffen. Mehrfach haben sie mit Wochenendausflügen auf Berghütten dem Socialising frönen können.

Es klingt fast so, als wäre das Ende des "Social Distancing" wichtiger als ein Sieg in der "Not a Boring Competition". "Es wird große Freude ausbrechen, wenn wir gemeinsam in Kalifornien dabei sind." Zheng fügt lachend hinzu: "Und wenn wir geimpft im Flugzeug ein bisschen kuscheln können."


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