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18 Jul
18Jul

Noch immer stehen Mobilfunknetze in etlichen von der Flut zerstörten Regionen nicht zur Verfügung. Das israelisch-schweizerische Start-Up Polus Tech liefert nun Notfall-Mobilfunknetze; kleine, gerade einmal 9 Kilogramm schwere Anlagen mit lokalen Funkzellen - für die nötigste Kommunikation und für die Ortung von immer noch vermissten Menschen. Dienstag können sie in Betrieb gehen.  

18. Juli 2021

Die Fluten in Rheinland Pfalz und Nordrhein Westfalen haben sich zurück gezogen und Trümmerfelder hinterlassen. Obwohl Mobilfunbkbetreiber wie Deutsche Telekom und Vodafone weite Bereiche wieder abdecken können, gibt es in den am schlimmsten getroffenen Regionen immer noch keine Kommunikation. Nun ist HIlfe unterwegs: Lokale Mobilfunkzellen sollen eine Notfallkommunikation ermöglichen.

Im Gegensatz zu den größeren und aufwendigeren Netzstrukturen der etablierten Mobilfunkbetreiber kann das 2016 gegründete israelisch-schweizerische Start-Up Polus Tech schneller Hilfe leisten. Die Anlagen befinden sich bereits auf dem Weg in die Krisenregionen. Es handelt sich um lokale Funkzellen mit einer Reichweite von 500 bis etwa 1000 Meter, die unabhängig operieren können, da sie batteriebetrieben sind. Das Gerät in seiner kleineren, gelieferten Version wiegt inklusive Antenne 9 Kilogramm und ermöglicht mindestens 40 Telefonate gleichzeitig. Es kann im Bereich der Zelle eingeschaltete Mobiltelefone orten. Ein separates Modul, das außerhalb des unmittelbaren Katastrophengebietes steht, ist das Bindeglied zu funktionierenden öffentlichen Mobilfunknetzen.

                                                  Niv Karmi                           Foto: Polus

"Wir sind im Kontakt mit dem Technischen Hilfswerk (THW), das gerade versucht, den Bedarf zu identifizieren" sagte der Israeli Niv Karmi, der Vorstandsvorsitzende und Gründer von Polus mit Sitz in Zug am Sonntag. Die Anlagen seien in der Schweiz auf Lager. Der Kontakt zum THW besteht schon länger. In Deutschland arbeitet Karmi mit der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH aus Fürstenfeldbruck bei München zusammen. Partner ESG, vor rund fünf Jahren von Airbus verkauft, ist ein Dienstleister, der Elektronik- und IT-Systeme für Militär, Behörden sowie Unternehmen anbietet und betreibt.

Am Sonntagnachmittag haben sich Mitarbeiter von ESG auf den Weg nach Zug gemacht, um zunächst zehn Anlagen abzuholen und in Krisenregionen zu transportieren. Die Ziele sind noch unklar, der THW wird kurzfristig darüber entscheiden, wo der Bedarf am dringendsten ist. „Wir können die Anlagen dann schnell verfügbar machen“, sagt ESG-Vorstandschef Christoph Otten. Ein Kriseninterventionsteam mit IT-Spezialisten stünde bereit und könne die Anlagen binnen Stunden installieren. Im günstigsten Fall könnten sie Dienstag in Betrieb gehen.

Orten von Vermissten

Im ersten Schritt geht es darum, ein Ortungssystem zu errichten, um Vermisste zu lokalisieren. Noch immer werden in manchen schwer getroffenen Regionen Hunderte von Menschen vermisst. Zugleich können Informationen per SMS zur Information der Menschen in den Katastrophengebieten verschickt werden. Parallel erfolgt der Aufbau der lokalen Mobilfunkzellen. Die sind dann auch für die Kommunikation mt digitalen Einsatzgeräten wie Drohnen geeignet.

„Unser Unternehmen bietet ein zuverlässiges System an, mit dem die Kommunikation wiederhergestellt werden kann, wenn die lokale zelluläre Infrastruktur zerstört ist - eine einfach zu bedienende mobile Zelle“, beschreibt Karmi das Prinzip. „Wenn es aktuell eine Anforderung aus dem Katastrophengebiet in Deutschland geben würde, dann stehen wir gerne zur Verfügung“, bietet Kamir Unterstützung an – „als Nachbar“, wie er sagt.

Das Produkt mit dem Namen „Lighthouse“ (Leuchtturm), bestehend aus Hardware und Software, wird bereits seit einigen Jahren etwa in der asiatisch-pazifischen Region oder auch in Kalifornien eingesetzt, die oft von Naturkatastrophen - von Überschwemmungen über Feuer und Erdbeben bis hin zu schweren Stürmen oder Torndaos - heimgesucht werden. Da Kunden zumeist staatliche Auftraggeber, öffentliche Einrichtungen, aber auch Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen sind, will Karmi Auftraggeber namentlich nicht nennen; nicht einmal die Länder, wo das von ihm entwickelte System bisher eingesetzt worden ist. 

Datenbanken für Krisenmanagement

Polus bietet ebenso umfangreiche Datenbanken und -plattformen für Krisen- und Katastrophenmanagement an. Das macht die Produkte auch für die Privatwirtschaft interessant. Immer mehr Unternehmen gehören zur Klientel, die den Ablauf eigener Prozesse absichern wollen. Dieser Markt soll ausgebaut werden.

Eine Aufgabe und Herausforderung sieht Karmi auch darin, weiße Flecken in weniger bevölkerten Teilen der Welt mit den kompakten, weniger aufwendigen lokalen Mobilfunkzellen abzudecken. „Mehr als 4,4 Milliarden Menschen auf der Welt haben nicht das Privileg, am digitalen Boom teilzunehmen und das mobile Internet zu nutzen, das für andere selbstverständlich ist“, sagt er. Viele ländliche Regionen in Entwicklungsländern würden nicht mit Netzen abgedeckt, weil es entweder nicht wirtschaftlich oder technisch nicht machbar sei. "Lighthouse" ermögliche eine kostengünstige Lösung.

"Ein Ort der Disziplin und Präzision"

Karmi, 38 Jahre,  ist Spezialist in den Bereichen Telekommunikation, Big Data und Cyber-Sicherheit. Dass er vorsichtig  in seinen Aussagenin der Öffentlichkeit ist, mag mit seiner Laufbahn zusammenhängen. In seiner früheren Karriere war er Major im israelischen Geheimdienst. Berufliche Ausbildung im Militärdienst ist in Israel durchaus üblich. Welche beruflichen und technischen Qualifikationen er erworben hat, ließ er offen. Nur soviel: "Viele Sachen, die ich dort gelernt habe, kann ich für Polus nutzen."

Vor sechs Jahren ist Niv Karmi nach Zug gezogen. Er hat nach eigenen Worten den Umzug seines Unternehmen in die Schweiz bevorzugt, weil er von der “Disziplin, der Präszision und den Ingenieursfähigkeiten der Schweizer Uhrenindustrie” überzeugt und begeistert ist. All diese Eigenschaften seien erforderlich, um die von Polus entwickelten Produkte zu bauen. Und schließlich scheint der Israeli mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu sein: „Ich bin in einem kleinen Bergort und einem kleinen Land aufgewachsen.“

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