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09 Sep
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Tausende Flugkörper will Isar Aerospace ins All schießen, um die Welt zu vernetzen. Das Start-Up der Münchner TUM-Studenten wird von Investoren mit Rang und Namen unterstützt. Der Markt für Mini-Raketen ist riesig. Auch andere Anbieter arbeiten an Konzepten. Wobei: Die Münchner haben es anscheindend besonders eilig. 

9. September 2020

Für Bayern Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist das Raumfahrtunternehmen Isar Aerospace zum wichtigen Baustein seines 2018 verkündeten Luft- und Raumfahrtprogramms "Bavaria One" geworden, mit dem der Freistaat das Weltall erobern will. Somit hat er höchstselbst in Ottobrunn bei München an der Einweihung des Produktionshalle des Start-ups teilgenommen. Dort wollen die Gründer die 27 Meter lange Trägerrakete fertigen, die nach Möglichkeit schon 2021 kleine und mittelgroße Satelliten in eine erdnahe Umlaufbahn transportieren wird.

                                                                                                                                                                                    Fotos/Illustrationen Isar Aerospace


Die Trägerrakete Spectrum mit einer Nutzlast von bis zu 1200 Kilogramm soll einmal die Flugkörper in eine Höhe von 400 bis 1200 Kilometer befördern; in Umlaufbahnen, die in den nächsten Jahrzehnten mit riesigen Satellitenfeldern belegt werden sollen. Daniel Metzler, Josef Fleischmann und Markus Brandl gründeten als ehemalige Studenten der TU München das Start-up im Jahr 2018. Die Liste der Risikokapitalgeber, die bislang mehr als 15 Millionen Euro in das junge Unternehmen investiert haben,  ist lang und prominent: Airbus Venture, der Gründerfonds Unternehmertum Venture Capital aus dem Umfeld der TU München, Vito Venture Capital, Earlybird oder Bulent Altan, ehemals Spitzenmanager von Space X, dem amerikanischen Raumfahrtunternehmen des Tesla-Gründers Elon Musk.

Isar Aerospace ist nicht das einzige deutsche Unternehmen, das mit kleinen Trägerraketen - genannt "Mini-Launcher" - riesige Geschäftschancen wittert. Neben Hyimpulse aus Baden-Württemberg setzt auch die Rocket Factory Augsburg auf einen wachstumsträchtigen Zukunftsmarkt. Hinter Rocket Factory steht der Bremer Raumfahrtkonzern OHB. Sie alle wollen von einer sich abzeichnenden Hochkonjunktur von Projekten und neuen Technologien für den Weltraum profitieren. "New Space" heißt der Zukunftsmarkt in der Raumfahrt, der im Volumen von zuletzt 360 Milliarden Dollar im Jahr um mehr als das Siebenfache auf bis zu 2,7 Billionen Dollar bis 2040 zulegen soll, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schätzt.

                                   Die Gründer


Das Wachstumspotential ist Folge der irdischen Digitalisierung, die gewaltige Datentransporte rund um den Globus erfordert. Die Satellitenfelder sollen die Menschen mit schnellem Internet noch in den entlegendsten Regionen verbinden. Autos können besser vernetzt, damit das autonome Fahren sicherer gemacht werden. Datenverschlüsselung und -aufbewahrung, vernetzte Industrie mit dem Internet der Dinge, intelligente Landwirtschaft (Smart Farming) oder die Überwachung von Luft- und Schienenverkehr lassen sich durch Satelliten effektiv und einfacher umsetzen. 

Ein beträchlticher Teil des Marktes wird auf Großprojekte für Mikrosatelliten entfallen. Das Vorhaben Starlink von Space X etwa soll bis zu 12.000 Satelliten umfassen, die ins All geschossen werden. Dafür werden preiswerte, kleine Raketen gebraucht. "In den vergangenen zwei Jahren haben wir eine Trägerrakete entwickelt, die Europa einen kosteneffizienten und flexiblen Zugang zum Weltraum bieten wird", sagt Daniel Metzler, Gründer und Geschäftsführer von Isar Aerospace. Mit dem Beginn der Raketenproduktion in Ottobrunn könne die Entwicklungsphase beschleunigt werden, um 2021 die erste Rakete zu starten. 


Die "Spectrum" ist ein Mini im Vergleich zu der äußerst aufwendig zu bauenden Trägerrakete Ariane von Airbus, die von Französisch-Guayana gestartet wird und große Satelliten mit Nutzlasten von bis zu 20 000 Kilogramm transportiert. Die von Space X auf Flügen zur Internationalen Raumstation ISS eingesetzte Falcon kann bis zu 6400 Kilogramm befördern.

 Rocket Factory hat für Ende dieses Jahres einen Stufentest, also die Erprobung des Triebwerks am Boden, angekündigt. Läuft der Versuch erfolgreich, soll die erste Rakete in etwa einem Jahr starten. Später könnten bis zu 20 Mini-Launcher aus der Rocket Factory im Jahr gefertigt werden. Dabei sind aber noch viele technische Fragen rund um die Serienfertigung zu klären.

                                   Das Team


HyImpulse, eine Ausgründung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, will seine Projekte möglichst schnell vorantreiben und bald eine erste Höhenforschungsrakete fertigstellen, die bis zu 350 Kilogramm Nutzlast transportiert. Später ist ein Mini-Launcher mit einer Kapazität von 500 Kilogramm geplant. Auch im Ausland sind viele Entwickler aktiv. So arbeiten rund um die Welt etwa 100 Unternehmen an kleinen Trägerraketen, viele davon in China. 

In Deutschland reifen derweil die Ideen für die Infrastruktur, um die Klein-Raketen in den Orbit zu beförden, etwa für eine Offshore-Startbasis am äußersten nordwestlichen Rand der Nordsee; eine Idee, wie sie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weiterentwickelt. Der Verband kommt zu dem Ergebnis, dass eine privatwirtschaftlich getragene Lösung mit einer mobilen Hubinsel, einer sogenannten Jack-up-Plattform, durchaus realisierbar wäre. Der Bund müsste sich laut dem Konzept nur in der Anschubphase finanziell beteiligen, und zwar mit einem Beitrag zwischen 22 Millionen Euro und 30 Millionen Euro, verteilt über sechs Jahre.


Eine deutsche Startplattform sei technisch machbar, strategisch und wirtschaftlich sinnvoll, heißt es in einem BDI-Positionspapier. Kostspielige Neuentwicklungen, etwa für die Plattform, seien nicht nötig, weil die Betreiber auf vorhandene Infrastrukturen, Technologien und Lösungen zurückgreifen könnten. Die Kosten für einen Raketenstart könnten sich auf durch aus wettbewerbsfähige 600 000 Euro belaufen.Die Nutzung einer Jack-up-Plattform wäre auch für Isar Aerospace denkbar. So weit ist man mit der Planung allerdings noch nicht. Mit rund einem halben Dutzend Startplätzen in Europa sei man in Gesprächen, sagt Daniel Metzler. Der Transport jedenfalls stellt da noch das geringere Problem dar. Anders als eine Ariane 5 lässt sich die "Spectrum" bequem per Lastwagen transportieren.

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